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Zurück aus Spanien, 5000 km,
kein Tropfen Diesel

[ Fahren mit Salatöl]

Geschrieben von Joachim S am 15. August 2001 19:26:35:

Das wichtigste sind Mitreisende, die dem ganzen aufgeschlossen gegenüber stehen. Warum das so wichtig ist, dazu später...

Die weibliche Mitreisende K. war nach anfänglicher Skepsis (bäh, das stinkt, das klapppt nie, gut dass ich meine Visa-Karte hab, ich fahr einfach mit dem Taxi nach Hause ...)

über verhaltenes Staunen (hm, ist ja ein Ding, da kann man tatsächlich mit fahren)

zu einer positiven Grundhaltung zu bewegen (ich sag ja gar nicht dass Diesel besser riecht, zählt das jetzt wirklich zu den regenerativen Energien, wieso ist das jetzt CO2 Neutral und Diesel nicht, erklär doch mal ...)

Zu einem komplett entspannten Umgang mit dem Thema gelangte sie spätestens, als die mitgenommenen Einweg-Kanister allmählich in verschiedenen Mülltonnen verschwanden, im Bulli ein Hauch von Platz entstand und sie begann, diverse sperrige und stachelige Strandgewächse für den heimischen Garten in die leeren 5-Liter-Pölflaschen einzutopfen.

Auch zum Muschelnsammeln bieten sich diese Behältnisse geradezu an, wenn man sie obenrum abschneidet...

Etwas problematisch wurde die Rückfahrt, als wir uns bei Lidl nochmal ordentlich für den Rückweg eingedeckt hatten. Wir hatten etwas Probleme mit dem Einsteigen, aber als die Türen erst mal zu waren, ging alles glatt.

Der andere Mitreisende M. (als mein WG-Mitbewohner einigen Kummer gewohnt) und mit einem gesunden Geiz und Sportsgeist ausgestattet hatte mit der Sache von vornherein keinerlei Probleme (Pöl ist billiger, dann fahren wir auch damit, fertig! Muss man sportlich sehen, dann ist das kein Problem)

Richtig problematisch wird das Pölen eigentlich erst, wenn der Tank leer wird. Ist eine Binsenweisheit, aber in solchen Situationen weiss man standhafte Mitreisende zu schätzen. Wenn die Tankuhr nur noch gelegentlich bei starken Kurven mal zuckt, ist man verdammt versucht an der Tanke da vorne mal eben ein paar Liter Diesel einzuwerfen. Gut wenn man dann einen Beifahrer hat, der sagt, fahr weiter, da vorn im nächsten Ort ist bestimmt ein Supermarkt...

Zur Reise; wir sind Nachmittags los und in einem Rutsch durch die Nacht bis Biaritz gefahren, schnell ins Meer gehüpft und haben beschlossen, ab jetzt ist Urlaub. Dann durch die Pyrenäen-Ausläufer nach Pamplona. Weiter auf den Pfaden des Jakobsweg eine mörderische 800 km lange Pilgerstrecke, auch heute noch reichlich bepilgert, (oft auch modern mit dem Rad) in mehreren Tagen mit einigen Besichtigungen und viel faulenzen über Burgos und viele relativ nette Städtchen und tolle bis eintönige Landschaften bis Santiago de Compostella. Das ist der Zielpunkt dieses Pilgerpfades so ziemlich im Nordwestzipfel Spaniens.

Die ganze Zeit waren wir umgeben von eifrigen Pilgerern, einige liefen schon sichtlich auf dem Zahnfleisch. Ob wir mit der moderneren Variante des "Pölpilgerns" auch die Vergebung unserer Sünden erwarten dürfen, halte ich für zweifelhaft. Besonders hart war es auf einer heftigen Bergetappe, wenn man im ersten bis zweiten Gang mit Vollgas einen Bulli da hochtreibt, zieht man schon eine gewisse leckere Duftspur hinter sich her. Ich hab immer im Rückspiegel geschaut, ob es verwunderte oder empörte Reaktionen auf dieses "einfritten" gab, konnte aber nichts entdecken. Vermutlich waren die Teilnehmer schon zu weit ab vom Weltlichen, um derartige irdischen Banalitäten warzunehmen.

Dann entlang der spanischen Nordküste zurückgebummelt. Viel gebadet, gefaulenzt, getrunken. In einer halbwegs nüchternen Phase ein paar lange aufgeschobene Reparaturen erledigt. Portugal haben wir uns geklemmt, wäre zeitlich zu knapp geworden.

Zur Pölerei, in Spanien ist Pöl im Supermarkt gut erhältlich, fast überall in praktischen 5 Liter-Flaschen. Rapsöl bekommt man praktisch nicht, das billigste Pöl ist Sonnenblumen-Raffinat (Aceite de Girasol). Im Lidl bekommt man es für 90 Pesos/L, (Etwa ne Markzehn oder so)

Diesel kostet 117 P. In den meisten Supermärkten ist Pöl etwa so teuer wie Diesel, günstig war es in einem Auchan und richtig billig eben im Lidl. Leider sind die Lidls nicht leicht zu finden, die Supermärkte sind nicht ausgeschildert, da hilft nur Glück und Augen auf. Oder man plant vor und fragt vielleicht mal bei Lidl in welchen Orten Märkte sind...

Das Sonnenblumenöl ist etwas problematischer, es ist sichtbar zäher und macht beim Kaltlauf länger mucken und der Motor startet morgens tendenziell etwas schlechter. Aber ansonsten gab es damit keine Probleme. Selbst das Raffinat hat noch einen ausgeprägten Sonnenblumenkern-Geschmack, fast zu schade zum "nur verheizen".

Pöltechnisch soweit also keine Probleme, ein paar Experimente mit dem Förderbeginn habe ich gemacht. Das Kaltlauf- und Startverhalten liess sich durch weiteres Frühstellen deutlich verbessern, aber an einem Punkt, an dem dadurch schon keine Leistungssteigerung mehr feststellbar war. Spätestens da beginnt wohl der kritische Bereich für den Motor. Das bringt mich wieder auf die Idee, ernsthaft über ein "frisieren" des KSB nachzudenken. In einer Diskussion im FF mit Hans F. hatten wir sowas schon angedacht, für die unerschütterlichen Eintank-Kamikazes u.U. ein echter Fortschritt.

Pöltechnisch habe ich also nicht viel zu erzählen (keine Pumpencrashs, keine Kontrollen, kein garnix). Vielleicht habt ihr ja noch Spass an eine paar Offtopic-Stories.

Eins meiner liebsten Hobbies (neben dem Pölen) ist das Festfahren und anschliessende Wiederbefreien des Bullis. Am liebsten im Sand, aber wenn es sein muss, schrecke ich auch vor Matsch und Dreck nicht zurück. Nicht direkt mit Absicht, ich tu auch alles um durchzukommen, aber irgendwie fahre ich mit der Karre gern bewusst dahin, wo eigentlich schon klar ist: das geht schief.

Mein Mitbewohner hat dafür volles Verständnis, mit wahrer Begeisterung schiebt und buddelt er, sucht Unterlegmaterial, bockt den Wagen auf und so weiter. Diesmal hat es uns wirklich optimal erwischt. An einem lauschigen Ort am Strand fährt er den Wagen in die Dünen und sagt: "Oh Oh, rausfahren musst du aber". Das klingt gut, denk ich und erwartungsvoll warte ich auf den abendlich geplanten Stellungswechsel. Hm, mittlerweile ist der Sand wohl getrocknet und verdammt lose geworden. Trotz vorsichtigstem Einkuppeln schaffe ich ungefähr einen Meter, dann sackt das erste Hinterrad ab. Ein paar mal hin und her, dann sitzen wir aber auch erstmal gründlich fest. Weit und breit kein Unterlegmaterial, also ausgedehnter Strandspaziergang und Apfelsinenkiste gefunden. Ziemlich dünne Bretter denk ich so, eigentlich nicht das richtige. Die Sonne verschwindet langsam in den Dünen...

K. meint: "Eigentlich wollten wir doch grillen, ich glaub ich mach schon mal den Salat")

... es ist dunkel, ich schwing mich hinters Lenkrad, jetzt muss es klappen. Eine ideale Startrampe ist angelegt. K. und M. schieben, der Bulli und ich geben alles. Heureka, er fährt. Das ist immer das grösste, Vollgas, der Dreck fliegt und mit Hängen und Würgen bleibt man in Bewegung. Ich schaffe den ganzen Weg in einem Rutsch, aber leider kommt zum Schluss eine scharfe Rechtskurve mitten durch ein Steilstück (ein mittlerweile lockerer Sandhaufen) auf die zuverlässige Schotterpiste. Es kommt wie es kommen muss, die Vorderräder krieg ich noch auf die Piste, hinten siehts übel aus. Der Bulli liegt quasi platt auf dem Sand, und es geht verdammt steil bergauf. Nach zwei vergeblichen Versuchen (es ist stockdunkel) mit Wagenheber und Unterlegbrettern hole ich den "heiligen Kettenzug" (2 Tonnen Zugkraft) und ein paar Seile aus meinen Geheimfächern. Kettenzug ist schön und gut, bloss, woran festmachen. Der nächste Baum steht irgenwo am Horizont.

Nun, Rüdiger Nehberg beschreibt es in seinem Buch "Survival", ein echtes muss für jeden Bulli-Urlauber. Man nehme das Reserverad, vergrabe es tief im Sand, und schon hat man den herrlichsten Erdanker. Reserverad erscheint uns zu stressig, wir versuchen es erstmal mit dem Wagenheber, da reicht ein viel kleineres Loch. (Der Mond steht hoch am Himmel, K. meint: "Der Salat ist fertig, vielleicht hauen wir das Fleisch doch besser in die Pfanne")

Der Wagenheber ist verbuddelt, der Kettenzug ratscht fröhlich, die Seile spannen sich, der Wagenheber droht aus dem Boden zu brechen, M. stellt sich drauf, der Kettenzug ratscht weiter, die Spannung steigt ins Unerträgliche. Ich schwing mich erneut hinters Lenkrad und helfe mit dem Motor nach. Und tatsächlich, wir gewinnen einen halben Meter. Sofort springt M. begeistert an den Kettenzug und ratscht fröhlich weiter. Unbemerkt hoppst der Wagenheber aus seinem Loch...

(Wir haben mittlerweile eingesehen dass man das alles gar nicht nüchtern ertragen kann und naschen auch am Salat)

... ein tiefes, tiefes Loch ist ausgehoben, eine lange Rille fürs Seil ist in den Sand gebuddelt. M. hat an beiden Händen Blasen, K. wirkt "tendenziell ungehalten", ich überlege was an diesem Hobby eigentlich so toll sein soll.

Diesmal gehts enttäuschend glatt, beinahe mühelos erhebt sich mein stolzer weisser Bulli aus dem Staub. Wir kloppen hurtig das Fleisch in die Pfanne, geben uns ordentlich die Kante und schlafen an Ort und Stelle ein.

Zwei Tage später...

Auf der Suche nach einem angemessenen Schlafplatz hoch in den kühlen Bergen des Baskenlandes, trotzdem mit phantastischen Blick aufs Meer, unbehelligt von aller Zivilisation fahren wir frohen Mutes einen etwas zweifelhaften Schotterweg der sich alsbald immer kühner in den Himmel schwingt. Am Fusse einer Steigung von ca. 50% müssen wir angesichts eines tief ausgespülten Baches quer drüber wohl oder Übel kapitulieren. (Den Bach hätt ich ja noch versucht, aber ich wusste genau dass der Bulli noch nicht mal den Berg dahinter geschafft hätte).

Nach einem lockeren Kilometer rückwärts ergibt sich eine Gelegenheit zum Wenden. Zumindest es zu versuchen...

Sorgfältig plaziere ich den Bulli quer auf den Weg, die vordere Stoßstange presst sich an eine Böschung, die Hinterräder versuchen auf grasigem Grund einen Berg zu erklimmen, scheitern aber kläglich. Es rührt sich absolut nichts. Um die Haftung der Hinterräder zu erhöhen plazieren sich meine Mitreisenden auf der hinteren Stoßstange. Ich nehme meinen geliebten Platz hinter dem Lenkrad ein, bringe den Motor auf "Turboeinsetzdrehzahl", gebe beherzt Vollgas und lasse die Kupplung in angemessener Manie kommen... Es bewegt sich immer noch nichts, aber hinter mir verschwimmt die Welt... Eine hustende K. und ein begeisterter M. tauchen langsam aus der Wolke von "Fleur de Girasol", verbranntem Gras, verbrannten Gummi und gequälter Kupplung auf. K. relativiert ihre Ansicht über den Pölgeruch aufs neue. Sie sind der Ansicht, dass es jetzt besser wäre von vorn zu schieben... Wiederwillig gebe ich ihnen recht, in der Tat klappt das enttäuschend unproblematisch.

So, weitere Details erspar ich uns. Könnte zwar noch mehr erzählen, aber irgendwann muss ich auch mal den ganzen mitgebrachten Wein trinken.

Gruss Jo